Alternativtitel: Warum ich mich schon mit nur 21 Jahren für eine Auszeit entschieden habe

Ich habe mein persönliches Hamsterrad verlassen. Und zwar am 28.01.2016. In Gedanken schon einiges früher (sorry Boss). An diesem Tag aber, hatte ich meinen letzten Arbeitstag als Banker. Ich bin ausgebrochen. Habe meine Bankerkarriere, die noch gar keine war, an den Nagel gehängt. Einen sicheren „9 to 5 Job“ gegen die Freiheit und die Unsicherheit eingetauscht – cool oder? Ja, ich bin damit nicht der Erste. Muss ich auch nicht sein. Erster zu sein ist nicht immer gut. Aber in Sachen «Raus aus dem Hamsterrad» bin ich, leider, einer der wenigen, die den Sprung gewagt haben. Und das nicht, weil ich mutiger, oder besser, oder weiss ich wie fancy bin – nein. Ich hatte einfach die Schauze voll. Und wie.

 

Aber nun von Anfang an:

Nach den klassischen romantischen Berufswünschen wie Astronaut und Pilot, habe ich mich dann extrem früh für eine Richtung entschieden. Mit ca. 13 Jahren wusste ich: Ich werde Banker. Vieles, was ich von da an gemacht habe, habe ich danach ausgerichtet. Jeden Test in der Berufswahlphase in der 7./8. Klasse habe ich so ausgefüllt, dass mein «Traumjob» Banker herauskam. Und nein, ich habe mich nie für etwas anderes interessiert. Geld hat mich einfach fasziniert. Ich war der festen Überzeugung, dass nur Geld einen glücklich machen kann. Und auf der Bank gibt’s schliesslich Geld. Viel Geld, das nicht mir gehört, aber auch einen guten Lohn, der ja dann nur mir gehört *dollarzeichenindenaugen*. Also macht mich die Bank ja glücklich – logisch.

Ach, du kleiner, dummer Ivan, du.

 

Meine Damen und Herren, bitte einsteigen, das Hamsterrad ist abfahrbereit…

Mit 15 habe ich dann auch wirklich die Lehrstelle bei einer Schweizer Grossbank mit drei Buchstaben, welche ich hier aus Diskretionsgründen nicht näher erwähnen werde, erhalten. Dauer: 3 Jahre. An diese konnte habe ich dann noch ein zweijähriges Förderprogramm (durch gute Noten dank ausgeprägtem Kurzzeitgedächtnis – bin weissgott kein Genie) im Bereich der Firmenkundenberatung anhängen. Und versteht mich richtig: Es war eine tolle Zeit. Ich habe extrem viel gelernt. Bankfachliches, aber auch im zwischenmenschlichen Bereich durch den Umgang mit Kunden und die Arbeit im Team. Ich habe mit sooooo genialen Leuten zusammengearbeitet, echt krass imfall. An den Mitarbeitern hat es also nie gelegen. Nur, dass das klar ist.

Und dann kamen im Förderprogramm noch zwei Sachen hinzu, die mich geprägt haben: Mein dreimonatiger Sprachaufenthalt in Wimbledon und meine Militärausbildung.

Über meine Militärzeit sei nur so viel gesagt: Freunde fürs Leben gemacht – Rest war Scheisse. Darüber reden wir jetzt aber nicht mehr, ok? Vielleicht schreib ich mal separat was dazu. Wahrscheinlich aber eher nicht.

Im Sprachaufenthalt habe ich dann zum ersten Mal die «ultimative Freiheit»-Luft geschnuppert. In einem fremden Land mit fremden Leuten. Und ich hatte eine super Zeit – ooou yeah.

 

Die ersten Zweifel

Bäck tu thä toppik: Während der zwei Jahre im richtigen Arbeitsleben, und ja, auch das Arbeitsleben eines Bankers kann durchaus als richtig bezeichnet werden, begann ich, immer mehr an dem zu zweifeln, was ich Tag für Tag machte. Der Job an sich erfüllte mich nicht. „Make a difference“, sage ich mir gerne. Oft kam ich aber abends nach Hause und musste feststellen, dass ich alles andere als eine „difference“ gemacht habe. Fünf Tage an einer Powerpoint-Präsentation herumwerkeln und das fertige Kunstwerk fünf am Handy sitzenden Managern präsentieren, welche das Ganze einen feuchten Früchtekuchen interessiert. Jep, not much of a difference. Nur eines von ziemlich vielen Beispielen.

Mehr Zweifel

Dann wird man auch immer zu „speak up“ motiviert. Also Ideen für Prozess- oder Arbeitsklimaverbesserungen einzubringen. Auch das habe ich gemacht. Ganz nach dem Motto „Make a difference“. Denkste! „Das machen wir schon lange so!“ „Das zu ändern, würde viel zu viel kosten!“ „Das ist jetzt einfach so, das habe nicht ich so entschieden.“ Drei Sätze, die ich ach so oft gehört habe. Drei Sätze, die bei mir einen kaum abzuwehrenden Würgreiz auslösen.

Noch mehr Zweifel

Dazu kommen immer mehr Regulierungen. Noch mehr Gesetze und Papierkram. Noch weniger Freiheiten. Die Banker werden zu Robotern. Wortwörtlich (e-Solutions) und im übertragenen Sinne (machen und sagen nur noch das, was ihnen vorgesagt wird). Nicht, als hätten sie eine Wahl, nein nein. Sie werden da eher hineingezwungen. Natürlich nicht direkt und sofort, sondern eher schleichend und unbemerkt.

Immer mehr meiner Arbeitskollegen kamen zum Entschluss, dass die Bankbranche keine vielversprechende sei. Sehr motivierend für einen 20jährigen Jungbanker. Ich war und bin aber froh, dass das Obige nicht auf alle Banker zutrifft. Es gibt sie noch. Die, die dagegenhalten. Die, die nicht alles mit sich machen lassen. Ihr seid meine persönlichen Heroes, die meine Zuversicht für die Bankbranche noch etwas am Leben erhalten.

Zweifel über Zweifel

Schon immer habe ich alles hinterfragt, was ich gemacht habe. Und immer weniger stimmte für mich. Bis zu dem Punkt, an dem es mich jeden Morgen, auf gutschweizerdeutsch gesagt, angeschissen hat, zur Arbeit zu gehen. Und das nicht nur ein bisschen. Uhueren brutal fest sogar. Einzig die Kollegen waren es, die mich dann doch irgendwie jeden Tag aus dem Bett «heraus-»und ins Büro «hineinmotivert» hatten. Denn diese waren wirklich fast von A-Z, also im Prinzip von A-Y, der absolute Hammer!

Es zweifelt brutal (irgendwie habe ich jetzt Lust auf Chips…)

Umso mehr haben mich dann auch die persönlichen Schicksale bewegt. Ich kam etwas rum in der Schweiz und konnte gute, aber leider auch etliche tragische Schicksale miterleben. Burnout unter 30. Familienväter, die die Kinder kaum bis nie zu Gesicht bekamen. Leute mit Träumen, die leider immer Träume geblieben sind und bleiben werden – Bankerkarriere sei Dank. Je höher man in der Hierarchie raufschaute, desto mehr Manager waren geschieden, bzw. haben jemanden anderes «geheiratet», nämlich die Bank. Leute mit den spannendsten Hobbies. Wann sie sie aber zum letzten Mal genossen haben, wissen sie schon kaum mehr. Junge Leute, die an den schönsten Sommerabenden bis 8 oder 9 im Büro sitzen, einfach, weil noch etwas fertiggemacht werden «muss», während sich die Kumpels am See oder sonstwo vergnügen – Byebye Freizeit. Tschüss Lebensqualität. Hallo hoher Boni. Hallöchen Geld, dass sie ja sowieso nicht ausgeben können, da sie ja kaum noch Freizeit haben.

 

Das Hamsterrad

Auch ich hätte viel Geld verdienen können. Ich hätte den Lebensweg, der für jeden Jungbanker, zumindest im groben, eigentlich vorgegeben ist, gehen können. Dieser hätte, „etwas“ überspitzt beschrieben, um meinen Punkt klarzumachen, etwa so ausgesehen: Teilzeitjob und Wirtschaftsstudium für die folgenden 4 Jahre. Besserer Job nach dem Studium. Arbeiten, arbeiten, arbeiten und Geld auf die Seite schäffeln. Evtl. noch den Master anhängen (über meine Meinung zum «Studieren» werde ich dann mal einen separaten Text verfassen). Heiraten. Haus bauen, Kinder kriegen (so Gott bzw. Frau in Spe will). Noch besseren Job erhalten. Evtl. Führungsposition. Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Managerposition übernehmen. Arbeiten, arbeiten, arbeiten, arbeiten, arbeiten. Jährlich 2 Wochen Ferien mit der Familie im all-inclusive-Hotel (aber bitte mit Internet, dass ich meine Mails checken kann). Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Pension. Beginnen zu Leben. Merken, dass man das schon viel früher hätte tun sollen. Upps. Zu spät.

Das mag für einige jetzt nach einem erfüllten Leben klingen. Ich will damit überhaupt niemandem zu nahetreten, aber für mich, ist es das nicht. Und das ist es für viele andere auch nicht.

Ich habe mit so vielen gleichaltrigen Hamstern gesprochen, welche die gleichen Probleme sehen wie ich. Welche es genauso anscheisst. Welche genauso wissen, dass sie ihr Job nicht glücklich macht. Und doch rennen sie weiter. Stecken im Moment im Wirtschaftsstudium fest und verbringen ihre wertvollen 20iger entweder an der Fachhochschule, im Bankgebäude oder Zuhause beim Schreiben irgendeiner Arbeit (…die Wochen für Erstellung verschlingt und dann von max. 2 Personen gelesen wird).

Nein danke!

Denjenigen, denen das gefällt: Have fun. Good for you. Aber nicht mit mir. Bei meinem Lebenswandel werde ich wohl kaum 100 Jahre alt werden. Und SO will ich meine beschränkte Zeit auf diesem wunderschönen Planeten nicht verbringen. Da muss mehr hinter dem Geheimnis des Lebens stecken. Es hält mehr für mich bereit, da bin ich sicher. Ich will irgendetwas bewegen. Und zwar nicht mehr nur Geld vom einen Konto zum andern.

 

Der Ausbruch (dramatische Hintergrundmusik)

Deshalb habe ich mich, nach ungefähr 1.5 Jahren nach Start des Förderprogramms, entschieden: Ich gehe. Tschüssi. «Und was machst Du denn nachher?» Keine Ahnung! Als ich mich nach Jobmöglichkeiten umgesehen habe, musste ich feststellen, dass ich gar keine Ahnung habe, was mich sonst noch so interessiert. Es gab halt schlicht und einfach nur die Bank für mich – bis jetzt. Das hiess für mich: Ich brauche Abstand. Und wie schafft man Abstand? Am schnellsten mit einem Flugzeug. Und zwar dem Flugzeug, das mich am 17. Februar 2016 nach Sri Lanka, der ersten Destination meiner Weltreise auf unbestimmte Zeit, befördert hat. Ich bin jetzt offiziell Globetrotter – yeah.

Mehr zu meiner Reise und den damit verbundenen Zielen findest Du hier: Über mich

 

Für einmal meine ich es ernst, wirklich!

Für die, die jetzt noch auf was Lustiges warten: sorry, diesmal nicht. Bald wieder, versprochen. Aber das Obige liegt mir wirklich am Herzen. Ich sage nicht, dass ich alles richtigmache. Vor allem, weil ich Stand jetzt noch keine Ahnung habe, wo mich mein Leben noch hinführt. Mein Ziel ist es lediglich, anhand der Schilderung meines «Ausbruchs», den einen oder anderen (oder natürlich auch die eine oder andere; für die Feministinnen unter Euch) zum Nachdenken anzuregen. Wenn ich das, auch nur im Geringsten, geschafft habe, bin ich zufrieden. Vielleicht erkennt Ihr Euch ja im einen oder anderen Teil wieder. Vielleicht ist eine Auszeit oder sonst eine Änderung genau das, was Ihr im Moment braucht.

Eure Erfahrungen zum Thema «Ausbruch», «Neuorientierung» und «Auszeit»  interessieren mich. Ab damit in die Kommentare!

 

Gruss und Kuss

IvaNuss

  1. Mathias Wunderle says:

    – das Thema:
    „Als Original geboren, als Kopie gestorben….“ gehst du konsequent an! Bin ja gespannt, wohin es dich verschlägt (nicht geografisch, tätigkeitsmässig!!!!)
    – es lohnt sich, deinen Weg zu suchen, ich kann dir das aus eigener Erfahrung unter die Nase reiben. Ich war immer ein wenig der „Andere“, der aus dem Rahmen fiel. Denn: wer aus dem Rahen fällt, hat viel mehr Platz, um sich zu entfalten!!! Und zwar hemmungslos in alle Richtungen!

    • Ivan Städler says:

      Hopp Mathias – Deine Worte sind Musik in meinen Ohren! 🙂 Danke dafür und bis bald, irgendwo und irgendwann 🙂 Gruss von ausserhalb des Rahmens, genauer: Ho-Chi-Minh-City, Vietnam 🙂

  2. Hello my friend ?
    Sehr, sehr toll geschrieben! Ich hoffe, viele Leute werden sich inspirieren lassen!
    Und wie recht du doch hast.. Deshalb bin ich auch seit einigen Jahren so ziemlich ausgestiegen und mein Fokus ist nun, meine Träume zu leben!
    Ich habe seither noch nie eine Entscheidung bereut, nichts.
    Vielleicht sollten wir mehr probieren, uns im Leben und unsere Träume zu verwirklichen anstatt im Job und mit der bestmöglichen Position etc..
    Go with the flow, live the moment and enjoy weiterhin so sehr!
    Alles Liebe
    Petra (von der Amma in India if you remember)

    • Ivan Städler says:

      Hopp Petra 🙂 Schön, von Dir zu hören. Ja, diese paar Tage Aufenthalt bei Amma werde ich bestimmt nicht mehr vergessen 😉

      Freut mich, dass dir mein Geschreibe gefällt! Und ja, ich habe sogar schon einige Rückmeldungen von Personen erhalten, die sich unter anderem aufgrund meines Beitrags Gedanken über ihre jeweilige Situation gemacht haben – und einige haben auch wirklich was daran geändert. Sowas hört man einfach gerne. Gänsehaut pur! Teil-Ziel erreicht, würd ich sagen. Hoffentlich kommen noch einige dazu 🙂

      Alles Gute Petra und bis bald, irgendwo auf der Welt 😉

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