Auf meiner nun schon 7 Monate alten Weltreise (der kleine Racker wächst aber auch sauschnell, ich weiss noch als er soooo klein war blablabla Grossmuttergeschwätz blablabla) habe ich schon einige supertolle und inspirierende Menschen getroffen. Einige davon, vor allem die, die ich in Indien kennengelernt habe, haben mir von ihren absolut krassen und überhaupt uhueren geilen Erfahrungen mit Meditation und der damit verbundenen 10-tages Vipassana Meditation erzählt. Da ich eigentlich nichts von Spiritualität und ähnlichem Humbug halte, war bei solchen Erzählungen bei mir oft «Göschenen-Airolo» hoch im Kurs (für die Geografie- bzw. Redewendungspfeiffen: Anfang und Ende des GotthardTUNNELS; auch möglich: «auf Durchzug geschaltet»). Je mehr ich jedoch von den Vorzügen der Meditation gehört habe, also auch von nicht-so-spirituellen-Woodofutzis, desto mehr kam der Drag in mir auf, das auch mal auszuprobieren.

 

«Das kann doch nicht so schwer sein», hat sich der kleine selbstbewusste Dummkopf, meine Wenigkeit, dann eines Morgens gedacht, als er sich zum ersten Mal in der Lotusposition (oder wohl eher in einem kläglichen Versuch eines Schneidersitzes) auf seinem Bett für die so hoch angepriesene Meditation platziert hatte. Oh gott, in dritter Person von sich zu schreiben ist ja vollscheisse. Fühle mich irgendwie royal. Item. Kurz: Es hat nicht geklappt. Nach 3 Minuten und 42,5 Sekunden ist mir der rechte und 4 Momente später der linke Fuss eingeschlafen, mein Rücken hat geschmerzt und trotz Instruktionen meiner meditierenden Kumpels konnte ich mich eben nicht auf das konzentrieren, auf was man sich eben konzentrieren sollte. Dies hab ich dann noch 2-3 Mal probiert, bis ich zum Entschluss kam: «Fuck, das geht nicht. Ich brauch einen Lehrer. Und n bisschen Struktur. Ich weiss was ich mache!»

Und ZAGG war ich angemeldet für eine 10-tages Meditation in einem Forest Meditation Center in Yangon, Myanmar. Ein Meditationszentrum in einem wunderschönen Wald, ausserhalb der Stadt. Bilder habe ich leider keine. War ja mit Meditieren beschäftigt. Die haben aber eine Homepage, wie fortschrittlich: Panditarama. Bewohner sind lediglich buddhistische Mönche und Nonnen, Schüler, die das mal werden sollen, sowie die Yogi’s. Also Leute, die zehn bis unendlich viele Tage dahin kommen um zu meditieren.

So wie ich.

Mein Ziel: Meditieren lernen.

Bevor ich zu meinen Erfahrungen komme, möchte ich Euch zuerst grundsätzlich die Aufgabe eines Yogi’s während einer Vipassana-Meditation erklären. Also wie Meditation, nach meiner Auffassung, funktioniert und gemacht werden sollte. Es mag vielleicht nicht ganz korrekt sein, aber so wurde es mir dort erklärt. Und ich glaube, das müsst ihr wissen, um meine Erfahrungen dann ungefähr nachvollziehen zu können.

Grundsätzliches Ziel der Meditation: Das Erreichen der völligen «Mindfulness» (Achtsamkeit des Verstands/Geistes, oder so). Später mehr dazu.

Es gibt während eines Tages im Leben eines Yogis eigentlich nur 3 verschiedene Verhaltensmodelle. Verhalten während der Walking Meditation, der Sitting Meditation und dann noch dann, wenn man nicht meditiert (Essen, WC-Gänge, im Bett liegen etc.) Ich versuch Euch mal kurz zu erklären, was man denn angehalten wäre, zu machen:

 

Walking Meditation

Dies gilt als Vorbereitung des Verstands bzw. des Geistes auf die Sitting Meditation. Also immer zuerst „Walking“before „Sitting“. Es geht darum, eine Stunde auf 8-10 Metern Grund hin- und herzulaufen und sich auf die Bewegung der Beine bzw. der Füsse zu konzentrieren. Und nur darauf.

Für mich als Anfänger wurde die Walking Meditation in drei Phasen eingeteilt. Je 20 Minuten. In der ersten Phase sagt man in der inneren Stimme immer «Rechtsschritt» und «Linksschritt» zu sich. Augen offen. Sonst stösst man noch einen Mönch um. Wäre ziemlich schlecht fürs Karma. Glaub.

Nun fokussiert man sich auf jeden Teil der Bewegung, von Anfang bis Schluss. In dieser Phase bezogen auf die ganzen Beine. Also vom Erheben der Ferse des linken Fusses, über die Schwingbewegung des Knies bis hin zum Ablegen des letzten Zehs. Hier kann man etwas schneller laufen, weil es um die ganze Bewegung und nicht um Details geht. Das 20 Minuten lang. Geil, oder?

Dann wird es langsamer und fokussierter. Phase zwei bezieht sich nur noch auf die Füsse. Da sagt man sich «lift» und «place», also «erheben» und «ablegen» bei jedem Schritt (war halt bei mir alles auf Englisch, was bei mir im Kopf noch zusätzlich für Durcheinander gesorgt hat). Und dabei soll man jedes Gefühl, also z.B. die Spannung im Fuss beim Heben des Fusses oder den Druck auf die Ferse beim Ablegen, wahrnehmen. Auch wieder 20 Minuten lang. 40 sind geschafft.

Für die letzten 20 Minuten kommt dann noch «move forward» dazwischen. Da konzentriert man sich also zusätzlich noch auf die Vorwärtsbewegung des Fusses und die damit verbundenen Gefühle. Das ganze passiert nun extrem langsam. BRUTAL LANGSAM. 30 Schritte in 10 Minuten, grob geschätzt.

Nun ist es zwar das Ziel, sich die ganzen 60 Minuten ausschlisslich auf die oben beschriebenen Vorgänge zu konzentrieren. Das ist natürlich kaum möglich. Und schon gar nicht für einen Anfänger. Das ist aber auch nicht weiter schlimm. Dann gilt einfach folgendes: Jeder Gedanke, jedes Gefühl, jedes Geräusch, jeder Geruch, jeder Juckreitz, der nicht mit der Bewegung des Beines bzw. des Fusses zu tun hat, wird zwar wahrgenommen und akzeptiert, aber so schnell wie möglich versucht, aus dem Fokus zu nehmen.

Beispiele:

  • «Erheeeeeeben», aaaaaaah es beisst mich an der Nase, aaaah. Fokus ist nun auf der Nase. Weg vom Fuss. NICHT KRATZEN! Man versucht es nun aber auch nicht zu ignorieren, sondern wahrzunehmen. Also sich in der inneren Stimme zu sagen: «Juckreiz, Juckreiz» (oder so was ähnliches). Wird der Juckreiz stärker, «notiert» (heisst es glaub offiziell) man das auch entsprechend. Man sagt dann zu sich „stärkerer Juckreiz, stärkerer Juckreiz“.  Bis es verschwindet und man sich wieder der Bewegung des Fusses widmen kann. Und ja, es verschwindet wirklich, sofern man sich wirklich darauf fokussiert.
  • Innere Stimmte sagt: «Erheeeeben – Aaaabetzeeeen – Erheeeb…» LAAAAAAAAAAAAAAANGWEILIG, LAAAAAAAAAAANGWEILIG, meldet das Gehirn. Also notiert man: «Langeweile, Langeweile». Und fokussiert sich dann wieder auf die Füsse.

Ihr seht also: sich auf die Bewegung des Fusses konzentrieren, jedes Störende Ding wahrnehmen und sich so lange darauf konzentrieren, bis es weg ist und man sich wieder den Füssen widmen kann. Fussfetischistenalarm.

Und das 7 Stunden pro Tag.

Schön, oder?

Dann ist aber nicht fertig. Nein nein.

Erklingt die Glocke nach 60 Minuten, begibt man sich ganz langsam, auch wieder mit dem «Notieren» der Bewegungen und ohne von irgendwelchen Gedanken abgelenkt zu werden, zu seinem Sitting-Meditations-Plätzchen.

 

Sitting Meditation

Diese funktioniert grundsätzlich genau gleich. Man fokussiert sich einfach nicht mehr auf die Beine und Füsse, die sind ja jetzt ineinander verschränkt und machen keinen Wank mehr, sondern auf sein «Abdomen», also den Bauch. Beim Einatmen notiert man «rising», also «erheben» oder „aufblähen“, und beim Ausatmen «falling», „zusammenfallen“. Dabei wieder die damit verbundenen Spannungen und Gefühle wahrnehmen. Von Anfang bis Schluss. Also vom Beginn des Aufblähens des Bauches, über die Spannung in der Bauchoberfläche am Ende des Einatmungsvorgangs bis hin zum Spannungsabbruch beim Ausatmen. Und nur das. Jedes Mal aufs Neue. Bei jedem Atemzug.

Man darf aber nicht auf einmal denken: „Oh jetzt weiss ich eigentlich wann und wo es spannt und wie sich das Ausatmen anfühlt. Muss mich also nicht mehr sooooo fest konzentrieren.“. Ja, ich Genie hab das oft gedacht. Nicht gut.

Was bei der Sitzmeditation neben Juckreiz und komischen Gedanken noch hinzukommt, sind Schmerzen. Im Rücken, aber auch in den Füssen. Diese notiert man dann mit «Schmerz, Schmerz» und evtl. anschliessend mit «starker Schmerz, starker Schmerz». Dabei nimmt man den Schmerz wahr. Man konzentriert sich darauf, wo er ist, wie stark, wie gross, ob er sich ausbreitet etc. etc. etc., bis er verschindet. Und das macht er auch, wenn man sich Mühe gibt. Echt krass, imfall. Und dann wieder schön auf den Bauch konzentrieren. Gottseidank ist meiner ziemlich gross, da fällt das nicht so schwer.

Und das wieder 60 Minuten lang. Ohne die Augen zu öffnen. Ohne sich zu bewegen. Ohne sich zu kratzen.

Spannend, oder?

Anschliessend wird’s aber besser.

Nein.

Man steht wieder auf und beginnt mit der nächsten Session der Gehmeditation (siehe oben).

 

Restliche Aktivitäten des Tages

Wer jetzt denkt, dass das ganze «Notieren» und «Wahrnehmen» nach den Meditationssessions ein Ende hat: Sorry, falsch gedacht!

Jede einzelne Bewegung muss wahrgenommen und notiert werden. Das Absitzen auf die Schüssel (ein fürchterliches Ziehen in den Oberschenkeln), das, was man dann auf der Schüssel macht (An- und Entspannen des Schliessmuskels – kein Scherz), das Aufladen des Essens auf den Löffel (Schaufelbewegung des Unterarms), die Bewegung vom Teller in den Mund (da beugt man ja den Arm) etc. etc. etc. Und auch wenn einem dabei irgendwelche Gedanken aufkommen, soll man sie wahrnehmen, aber sich dann wieder auf die eigentliche Aktivität konzentrieren. Eben zum Beispiel aufs Kacken, nöd wohr.

Nicht mal im Bett dürfen die Gedanken abschweifen. Immer wenn man nichts zu tun hat, soll die Konzentration wieder auf das Aufblähen und Zusammenfallen des Bauches fallen.

Fokussiert bleiben. Das ist das Ziel. Nicht ablenken lassen. Sich jeder Bewegung, jedes Gefühls, einfach alles, was im Körper und im Geist passiert, wahrzunehmen.

That’s it. Easy, oder?

Nein.

Und es ist noch nicht alles.

Neben all dem, gibt’s noch folgende Regeln zu beachten (von Homepage übernommen, halt Englisch – Google hilft bei Problemen):

  • There is only one task to be done by the meditators, i.e. to practice with:
    respect and sincerity
    diligence
    heroic effort
    perseverance
    patience
    sustained, continuous, moment-to- moment mindfulness from the time of waking up in the morning to the time of falling asleep at night.
  • Meditators should do 14 hours of formal sitting and walking meditation per day.
  • Meditators should keep alone and observe silence. Socializing is not encouraged at all.
  • Meditators must refrain from talking.
  • Meditators must keep reading and writing to an absolute minimum.
  • Lay meditators must carefully observe the eight precepts. Smoking is not allowed. Monks and nuns must strictly observe their respective monastic discipline.
  • Sleep should be limited to 4-6 hrs per 24 hours.
  • Meditators must strictly adhere to the meditation teacher’s instructions and should not practice according to other meditation methods.
  • Meditators must not get involved in any activities not related to intensive meditation, (e.g. listening to the radio or tapes, taking massage, taking photographs, collecting books, performing acupuncture, receiving visitors, cooking food, learning Burmese, English, Pali.)
  • Meditators must restrain their senses. They should act like a blind, deaf and dumb person.
  • Meditators must perform all activities in slow motion like a sick person.
  • There is no space for thinking, reflection, speculation, analyzing, or interpretations during intensive practice.
  • Generally, meditation is for people with a normal and stable mind. If a person is mentally not in shape to do intensive meditation practice, especially to conform to the strict discipline, then that person may not be admitted as a yogi.

Die unterste Regel sollte mich eigenlich schon vorgewarnt haben. Janu, ich hab’s probiert 😀

Nun zu dem, wie ich das ganze erlebt habe. Tag für Tag (sind ja nicht so viele, nöd wohr).

 

Meine 3.5 Tage Vipassana-Meditation

Tag 0

Und los ging’s. Nach einem Facebookpost, dass ich die nächsten 10 Tage nicht erreichbar sein werde etcetcblabla kam ich im Zentrum an (meine Kumpels haben sich natürlich nur darüber lustig gemacht, dass es für mich als Grossmaul doch unmöglich wäre, 10 Tage nicht zu sprechen, was Bestandteil des Programms ist… Arschlöcher, aber ich hab sie irgendwie lieb.).

Am Empfang bekam ich dann den folgenden Stundenplan in die Hand gedrückt (unnötige Kommentare von mir in grün):

 

03:00 Wake up bell (die haben schon um 02:30 mit so einer Riesenglocke rumgeläutet)
03:30 to 04:00 Walking Meditation
04:00 to 04:45 Sitting Meditation
04:45 to 05:00 Metta Chanting (unverständliches Gesinge, aber immerhin nicht meditieren)
05:00 to 06:00 Breakfast (endlich – das Essen war der Hammer!)
06:00 to 07:00 Sitting Meditation
07:00 to 08:00 Walking Meditation
08:00 to 09:00 Sitting Meditation
09:00 to 10:00 Shower or Walking Meditation (Shower – logisch)
10:30 to 11:30 Lunch (das letzte (Abend-) Mahl)
12:00 to 13:00 Sitting Meditation
13:00 to 14:00 Walking Meditation
14:00 to 15:00 Dhamma Talk (ab Band gehörte weise Worte bezüglich der Meditation)
15:00 to 16:00 Walking Meditation
16:00 to 17:00 Sitting Meditation (um 17:00 gab’s „Juice“, mmmmh. Nicht.)
17:00 to 18:00 Shower or Walking Meditation (zweite Dusche des Tages – logisch)
18:00 to 19:00 Sitting Meditation
19:00 to 20:00 Walking Meditation

20:00 to 21:00 Sitting Meditation
21:00 to 23:00 Optional Practice (haha huere 😀 – guat Nacht am 9ni)

 

Schon das hat bei mir schonmal etwas Panik ausgelöst. 14 Stunden Meditieren pro Tag. Und alleine hat’s nicht mal 5 Minuten geklappt. Janu. Das hab ich mir jetzt vorgenommen. Auf geht’s.

Dann liessen sie mich noch einen Zettel mit den oben erwähnten Regeln unterschreiben. Die meinens aber ernst du, heilandzack.

10 Minuten nach Ankunft habe ich dann schon mein Zimmer, bzw. eigenes kleines Haus mitten im Wald, bezogen, meine Meditationstracht (weisses Hemd und ein Tuch (Longy) ums Fudi und die Beine)  montiert und meinen Lehrer kennengelernt. Ein 25 jähriger, sehr sympathischer nepalesischer Mönch. Ihm habe ich dann etwa 10 Minuten lang irgendwelche Worte nachgesprochen. Regeln und Grundsätze der Vipassana Meditation. Oder so.

Anschliessend liess er mich 45 Minuten lang die Einführung in die Meditation vom Band hören. Schlechte Qualität. Schlechtes Englisch. Aber ich hab’s glaub einigermassen begriffen. Spätestens nachdem mir mein Lehrer nochmals alles erklärt hat. Ganz langsam. Auch für absolute Meditationstubel wie mich völlig verständlich. Also ich hab’s so verstanden, wie oben beschrieben. Kann auch völlig falsch sein. Meditationsprofis belehren mich da bitte eines Besseren.

Anschliessend gings dann in Zeitlupe (ALLES muss in Zeitlupe geschehen. Beim Kacken hab ich das irgendwie nicht hingekriegt) Richtung Meditationshalle, der Dhamma-Hall. Oder so. Da waren auch schon rund 15 Mönche und 15 so Heinis wie ich am Meditieren. Da drin ist es so ruhig, man hört jeden Furz vom nebenanliegenden WC-Häusschen. Dreimal verbeugen und los geht’s. Adrenalin pur. Hähä.

Die ersten 2 Sitz- und die erste Gehmeditation verliefen einigermassen gut. Wegen alles neu und so. Bei der Sitzmeditation ist mir der Fuss auch erst nach 10 Minuten eingeschlafen. Aber diese drei Stunden waren streng (anstrengend, für die Deutschen), sag ich Euch. Nach 7 Monaten Reisen fällt einem das mit der Konzentration auch nicht mehr soooo hueren leicht.

Item. Bedtime.

Hab noch eine Nachtlektüre erhalten. Die hat meine Aufmerksamkeit genau 2 Seiten lang genossen. Koma.

 

Tag 1

Tagesprogramm gemäss obiger Auflistung.

Der Morgen war eigentlich ganz ok. Obwohl ich um ca. 9:00 Uhr schon meine erste Krise hatte. Eine Motivationskrise. Aber es ging schon, weil ja immer wieder was zwischen die Meditationen kam. Essen, Duschen und so. Aber schon hier hab ich festgestellt:

Ich motiviere mich nur von Meditationspause zu Meditationspause.

Daher kam mir auch der Dhamma-Talk vom Nachmittag ganz recht. 45 Minuten der Stimme des Klosteroberhaupts zuhören. Viel wirres Zeug. Hauptsächlich sagt er aber, dass man sich der Meditation wirklich hingeben muss. Es muss das oberste Ziel sein, die absolute Mindfulness zu erreichen. Und wer nicht 100% dabei ist, der braucht gar nicht bleiben. Ok. Gad eso.

Hab das so zur Kenntniss genommen und zu mir gesagt: «Geht schon, bist ja motiviert!».

So habe ich dann auch den Nachmittag rumgebracht. Obwohl der viel härter war als der Morgen. Viel weniger „Pausen“. Viel mehr Meditieren. Viiiiiiiiiel mehr Krisen. Müdigkeit, Motivation und und und. Dann war Duschen oder Gehmeditation angesagt. Logischerweise habe ich mich für die Dusche entschieden.

Dort angekommen: Kein Strom, kein Wasser, ich voll verschwitzt. Also sitze ich da in meinem dunklen Badezimmer auf der Schüssel, nackt und dann:

Fiel ich ins erste tiefe Loch.

«Das schaffe ich nie!»

«Was für ein Scheiss!»

«Die Langeweile werde ich nie überkommen!»

«Mamaaaa»

Im Loch kamen dann aber nicht nur Gedanken zur Meditation hoch, nein. Alles. Sachen wie:

«Tammi, was machst DU eigentlich aus Deinem Leben?»

…und dann noch Gedanken zu diesen und jenem Ereignis meines Lebens. Oder zu Entscheidungen, die ich getroffen habe. Bezieheungen, Beruf – alles.

Ich hab geheult wie ein Neugeborenes.

Auf Ecstasy. Oder wie schreibt man das? Schau Mama, ich weiss nicht mal, wie man’s schreibt.

Als dann das Wasser anging, wusch ich mir die Gedanken erstmal aus dem Kopf.

Die Abendmeditation startete dann überraschenderweise tiptop. Doch dann, eine Stunde vor Schluss, während der Gehmeditation: LOCH! Schon wieder. Musste mich hinsetzen. Wollte aufgeben.

Ein Gespräch mit meinem Lehrer hat mich dann aber nochmals motiviert. Ich hab mir gesagt: „Mach die ersten drei Tage und wenns dann immer noch scheisse ist, geh!“

Bedtime. 1-2-3 Koma.

 

Tag 2

«Ivan, Ivan!!!» oder eher «Avan, Avan!!!»  (konnten meinen Namen nicht aussprechen geschweige denn schreiben) hörte ich von vor meinem Häusschen jemanden herumflüstern. Mein Lehrer. Es war 5 Uhr morgens und ich hab verpennt. 2 Stunden. Er war mir aber nicht böse. Die können gar nicht böse sein, die Mönche. Gottseidank. Also direkt zum Frühstück. Auch gut.

Jetzt im Nachhinein denke ich ja, dass mir mein Unterbewusstsein da schon was sagen wollte. Weil den Wekcer hab ich schon gehört. Das weiss ich, weil er ausgeschaltet neben mir im Bett lag.

Item.

Überraschenderweise verlief Tag 2 wunderbar. Vielleicht auch, weil er eben verkürzt war für mich. Krisen gab’s zwar auch, klar, aber kein grösseres Loch.

An diesem Tag konnte ich mich bei der Sitzmeditation auch zum ersten Mal so richtig in meinen Bauch hineinfühlen. Krass, was man da so alles spürt. Und in was für eine Art Trance man verfällt. 45 Minuten dasitzen ohne mich zu bewegen hab ich geschafft. Krass, gell?

Dafür hab ich aber geschwitzt wie ein Schwein kurz vorm Abschlachten . Erstens, weil’s heiss war (diese super tollen Leute, die für die Halle zuständig waren, empfanden es nicht für nötig, die vielen Klimaanlagen einzuschalten. Sie liessen uns lieber in unserem eignen Schweiss ertrinken. Gluggglugglugg.) und zweitens, weil ich so viele Schmerzen unterdrückt (bzw. wahrgenommen und akzeptiert) habe, dass mein Körper so einiges zu verarbeiten hatte.

Wie gesagt, Tag zwei – ganz ok. Aber trotzdem konnte ich mir einfach nicht vorstellen, das ganze noch 8 Tage weiterzumachen.

 

Tag 3

Der Tag der Entscheidung.

Er hat eigentlich ganz gut gestartet. Auch pünktlich, zur Abwechslung. Der Morgen verging wie immer ziemlich schnell. Aber doch habe ich wieder jede Möglichkeit genutzt, so wenig Zeit wie möglich in der Dhamma-Hall zu verbringen.

Zum Beispiel liessen sie einem so viel Zeit, wie wir wollten, für’s Zurücklaufen vom Mittagessen zur Dhamma-Hall. Sodass wir auch alles gaaaaaaaaaaaanz langsam machen können. Ich hab dann auch immer eine extra Schleife gedreht und die wunderschöne Anlage (Seen, Wälder, Gärten) bewundert äääääääääääh mich auf meine Füsse konzentriert.

Nach dem Mittag ging’s bergab. Ganz tief bergab.

Als der Obermönch dann beim Dhamma-Talk auch nochmals betont hat, dass wenn man nicht 100% bei der Sache ist und es voll und ganz will, dass es dann nichts bringt zu meditieren. Dann sei einfach nach 10 Tagen der Retreat komplett, mehr aber auch nicht.

Bei der anschliessenden Gehmeditation war dann endgültig fertig. Ich fiel wieder ins Loch.

Und zwar ins eins mit spiegelglatten Wänden, das oben auch noch zugeschweisst wurde. Kein Entkommen.

Heulend sass ich vor der Dhamma-Hall und hab nochmals mein ganzes Leben hinterfragt.

Dann war’s klar. Finito.

Ich suchte meinen Lehrer und teilte ihm mit, dass für mich hier die Reise in meinen Verstand zu Ende sei. Er hat mich dann natürlich veruscht nochmals zu motivieren. Soagr ein schlechtes Gewissen hat er mir gemacht. Dass es halt sein könne, dass ich auch an einem anderen Punkt im Leben einfach aufgebe ohne zu Kämpfen. Das hat mich grad n bisschen sauer gemacht. Aber er war voll ok. Und vor allem wer einen Mönch zu schlagen wohl ziemlich schlecht für s Karma. Wer dran glaubt.

Aber grundsätzlich hatte er ja recht. Könnte ja sein.

Ich habe ihm aber klargemacht, dass ich, wenn ich ein Ziel habe, kämpfe bis zum Bitteren Ende. Nur habe ich bei der Meditation mein Ziel aus den Augen verloren bzw. schon erreicht. Ich wollte meditieren lernen. Und die Basics hatte ich im Griff. Zu mehr war ich in dem Moment nicht fähig. Also passt das schon so für mich.

Er hat dann aber noch was gesagt, das mich etwas zum Nachdenken angeregt hat: Er hat gemeint, dass bis jetzt alles, was ich erreicht habe (haben mal darüber geredet in einem Interview), von aussen, also von Drittpersonen angetrieben war. Alle meine «Erfolge» waren einer Competition/einem Wettkampf zu verdanken. Und Meditation ist keine Competition, sondern etwas nur für den eigenen Körper und Geist.

Hat er recht, der Mann in Robe.

Ganz herausgefunden, was ich mit der Aussage anfangen sollte, habe ich noch nicht. Aber hat wirklich was.

Item.

Im Zimmer hab ich mir am Abend dann erstmal einen Film reingezogen. Also hab’s versucht. Ging nicht. Es war immer der Gedanke da: «Du bist schwach». Ich habe mich schlecht gefühlt. Ich habe in meinem Leben meines Wissens noch nie aufgegeben – und es war sauschwierig. Aber ohne Ziel bringt’s nichts. Und nur um mir und meinem Umfeld was zu beweisen, quäle ich mich nicht noch 7 Tage durch dieses Schleichprogramm. Nene.

Mein Lehrer hat mir dann noch einige Dhamma-Talks eines Englischen buddhistischen Mönchs, der in Australien ein Kloster führt, zum Anhören gegeben. Und der Typ ist wirklich eindrücklich. Wer Zeit und Lust hat, dem empfehle ich wirklich mal, da reinzuhören. Er spricht über alles mögliche (Religionen, Sexualität, Kriege, Tod und Leben und so weiter). Und erklärt sie so, das sie Sinn machen. Auch für mich als absoluter Atheist völlig verständlich. Horcht doch mal rein (ist eine Playlist, könnt oben links klicken und zu einem Thema scrollen, das Euch interessiert):

 

 

Nach 5 Stunden Talks hören bin ich dann auch endlich, trotz Selbstzweifel, eingeschlafen.

 

Tag 4

Um 3:00 Uhr hab ich’s dann nochmals probiert mit der Meditation. Aber nein. Es brachte nichts mehr. Sachen gepackt und ab zum Flughafen. Dort mit dem Flughafen-Wifi schnell einen Flug nach Kuala Lumpur gebucht (Hatte schon einen Flug gebucht dorthin, halt erst per Ende des Retreats, als Zwischenstopp vor Nepal. Einen neuen Flug zu buchen war günstiger, als den anderen Umzubuchen – komische Welt).

Wenige Stunden später sass ich schon im leeren Flieger Richtung Süden. Und konnte abschliessen mit Myanmar und vor allem meinen Erfahrungen im Meditationszentrum. Habe wieder Frieden mit mir selbst geschlossen.

Ou man, it was a hell of a ride.

 

Tipps, wie Du es schaffen könntest (und evtl. auch ich in einem zweiten Versuch)

Zum Schluss dieses viel zu langen Berichts, noch ein paar Tipps, für Meditations- bzw. Vipassana-Intressierte. Oder eben auch Vorsätze für mich, falls ich es nochmals versuchen werde:

 

  • INTENSIVE VORBEREITUNG!!!
    • Theoretisch mit der Meditation und deren Ziele auseinandersetzen
    • Meditation selbst einmal versuchen und sich fragen, ob man sich dem 10 Tage lang 14 Stunden täglich hingeben kann
  • Es ist kein Wettbewerb.
    • Es dient dazu, sich selbst, also seinen Geist/Verstand und seinen Körper sowie die Zusammenhänge, besser zu verstehen bzw. zu kontrollieren.
    • Man soll es nicht machen, um sich oder Drittpersonen etwas zu beweisen. Dann bringt’s nämlich gar nichts
  • Man soll mit dem Ziel kommen, so tief wie möglich in die Meditation einzutauchen. Nicht einfach nur, meditieren zu lernen. Das Ziel wird mit einer seriösen Vorbereitung automatisch immer konkreter.
  • Richtiges Zentrum aussuchen
    • Ist ein Kloster, wo das ganze halt schon noch ziemlich religiös abläuft («Gebete» vor dem Essen / Zusammen singen etc.), das richtige für mich?
  • Richtigen Zeitpunkt aussuchen
    • Wenn man geistig nicht 100% bei der Sache sein kann, wird man nicht richtig eintauchen können.
    • Der Zeitpunkt wird nie perfekt sein. Es beschäftigt einen immer etwas. Aber ich glaube, ihr wisst, was ich meine. Wer gerade eine Trennung hinter sich hat, sollte vielleicht eher etwas warten.
  • Richtige Kursart aussuchen
    • Ich war in einem buddhistischen Kloster, wo Personen von 10 Tagen bis monatelang meditieren. Alle starten einfach dann, wenn sie Lust und das Zentrum Kapazität hat. Ich war der einzige 10-Tages-Yogi. Habe mich dadurch irgendwie alleine gefühlt. Alle anderen haben die 60 Minuten Sessions ohne Unterbrechung durchgezogen. Ich hab krisenbedingt immer wieder kleine Pausen einlegen müssen. Wenn ich jemanden gesehen hätte, der auch Mühe hat, hätte ich es vielleicht noch länger durchgehalten.
    • Es gibt auch Zentren, wo alle zusammen anfangen und die 10 Tage «zusammen» (schon alleine, sprechen darf man immer noch nicht, aber halt zum gleichen Zeitpunkt) durchziehen. Das könnte definitiv ein entscheidender Motivator sein. Vor allem baut man da auch auf dem Gelernten auf. 3 Tage Fokus auf X und dann Fokus auf Y. Also etwas weniger eintönig. Wahrscheinlich passender für Einsteiger.
  • Wenn ihr dann dort seid, nutzt nicht jede Möglichkeit, nicht zu meditieren. Also macht es nicht so, wie ich es gemacht habe. Sondern wählt dann vielleicht eher einen Kurs mit 8-12 Stunden Meditation pro Tag, nutzt diese dann aber auch wirklich zum Üben.
  • Und jetzt etwas, das mein Lehrer mir zum Abschied gesagt hat: «Ivan, Du gutaussehender Prachtskerl (ok, bezüglich diesem Teil bin ich nicht mehr so sicher), Du hast die letzten Tage versucht, Dir und deinem Verstand etwas beizubringen. Du warst in der Rolle des Lehrers. Wenn Du nächstes Mal kommst, komm her um zu lernen.»
    • Lasst Euch also gehen und fühlt Euch in die Schulzeit zurück. Seid Schüler, nicht Lehrer.
  • Normalerweise bin ich ja der Meinung: Aufgeben ist keine Option. Und ich denke, wer die obigen Tipps beherzigt, wird die 10-Tage durchziehen können. Und wenn nicht: Auch Aufgeben ist etwas, das man, sofern das weitermachen keinen Sinn hat, ab und zu machen muss. Auch damit muss man lernen, umgehen zu können.

Wichtige Anmerkung zum Schluss: Die obigen Schilderungen und Erklärungen habe ich nirgens nachgelesen, sondern genau so erlebt und verstanden. Falls die Meditationsgurus unter Euch, falls das überhaupt irgendjemand fertig gelesen hat – haha – oft gedacht haben: «Das stimmt doch so nicht!», dann kann das sehr gut der Fall sein. Bitte belehrt mich dann eines Besseren.

 

Eure Meinungen und vor allem Erfahrungen mit der Meditation und vielleicht sogar mit einem Vipassana-Retreat intressieren mich. Ab damit in die Kommentare.

 

Wer Fragen zur Meditation hat, fragt am besten nicht mich. Ich hab keine Ahnung. Da gibt’s bessere. Also eigentlich jeden. Oder Wikipedia.

 

Wer aber noch was zu meiner Erfahrung wissen will, nur zu, fragt. Beisse nicht. Ausser Euch gefällt das.

 

Das war’s. 3500 Worte. Viel zu viele. Aber ich musste das jetzt loswerden. Auch, um es zu verarbeiten. Und um mir einzureden, dass Aufgeben, die richtige Entscheidung war 🙂

 

Gruss und Kuss
(teils) gescheiterter Yogi IvaNuss

  1. Das Hauptziel (?) des Meditieren ist ein Satori. Das ist die Erkenntnis vom universellen Wesen des Daseins. (Definition von Wikipedia)
    Sowas braucht aber viele Jahre der Übung und der Hingabe.

    Trotzdem toll dass du es mal probiert hast 🙂

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